Neu gesehen

Die Kulturereignisse und Ausstellungseröffnungen überschlagen sich zur Zeit. Der Umgang mit der Pandemie ist geübt und endlich sind die meisten Kunsthäuser wieder geöffnet.

Annie Fischer ist gleich in zwei Ausstellungen vertreten. Im Eichenmüllerhaus in Lemgo zum Thema „Verflochten“ und bei den Kulturtagen Detmold unter dem Motto „Neu gesehen“.

Für ihre Arbeit „Schattenwerfer“ in Lemgo greift sie das Zitat von Thomas Campbell „Künftige Ereignisse werfen ihre Schatten voraus“ auf. Sie bezieht dies auf die Corona-Pandemie. „Wie wahrscheinlich für alle, war im letzten Jahr auch für mich alles anders. Wer hätte jemals gedacht, dass so etwas wie eine Pandemie auf uns zukommen könnte und welche Konsequenzen dies mit sich bringt? … 2020, kurz nach Sylvester, hatte noch
niemand so recht glauben wollen, was auf uns zukommen könnte. Der „Schatten“ war bereits schon zu dem Zeitpunkt sichtbar und wird noch länger zu sehen bleiben, da die Folgen und Veränderungen tief mit unserem bisher gewohnten Leben verflochten sind.“ (Annie Fischer)

„Wolken-Aerosole im Wind“ vs. „shit storm“ ist der Titel der bei den Kulturtagen in Detmold gezeigten Arbeit.

Annie Fischer zu ihrem Werk: Was für uns Menschen nicht fassbar ist, versuchen wir mit der Beschreibung physikalischer Phänomene handhabbar zu machen. Wie z.B. die Entstehung von Wolken und deren Bestandteile. Alle wissenschaftlichen Erklärungsmodelle fußen jedoch auf Grundannahmen, die nur solange gelten bis nichts Gegenteiliges belegt werden kann. So wie der Wind die „Wolkenaerolsole“ verwirbelt, so ergeht es uns mit der Annäherung an den Versuch, die „Wahrheit“ abzubilden.

Dem gegenüber steht eine Installation, die weniger poetisch mit Meinungsdiversität umgeht. Während zu Beginn der Pandemie noch schöne Zukunftsvisionen skizziert wurden wie bei Matthias Horx “Die Welt nach Corona – Wie wir uns wundern werden, wenn die Krise vorbei ist“, ist die Stimmung zum jetzigen Zeitpunkt deutlich gereizter: wir sind dünnhäutiger und empfindlicher geworden, Dinge werden leichter missverstanden. Unterschiedliche Ansichten werden schnell zu unüberwindlichen Differenzen, wie in den sozialen Medien zu beobachten ist. Anstatt in den Dialog zu treten werden die Personen „entfreundet“.

AITW-HUBSA-AIR

Das Projekt „Avantgarten“ nimmt Form an. Im Skulpturengarten in DaunTown zeigen Künstlerkollegen aus aller Welt ihre Werke, die sie hier erarbeitet haben.

André Smits, ein niederländischer Künstler, nutzte sofort die verbesserte Corona-Lage, um hier vor Ort seine soziale Skulptur „AITW-HUBSA-AIR“ fertigzustellen. Ein Objekt, in dem Künstler als Artist in Residenz wohnen können.

Zu Smits Gesamtkunstkonzept gehört unabdingbar das Reisen und Netzwerken. Er fotografiert weltweit Künstler in ihren Ateliers mit Rückenansicht. Mittels Graffitis wird die Wegbeschreibung festgehalten, welcher Künstler ihn wohin weiter vermittelt hat.

ARTIST IN THE WORLD ist eine Reise durch die Kunstwelt mit dem Ziel, Künstler in einem Archiv zu verbinden. Die Welt der Kunst mit einer breiten Geste zu umarmen. Es ist eine vorsichtige Hommage an mein Staunen über all die Schönheit und Ausgelassenheit, die mir auf diesem Weg begegnet.

Für dieses Projekt fotografiere ich Künstler und Personen der Kunstszene, wie Sammler und Aussteller, in ihrem Arbeitsbereich. Ein wichtiger Bestandteil dieser Serie ist das Konzept der romantischen Rückenfigur, jeder steht immer mit dem Rücken zur Kamera. So geben die Fotos einen intimen Einblick in die Ateliers. Die fotografierten Charaktere fungieren als Wegweiser und laden die Zuschauer in ihre Welt ein. Es ist auch ein Moment der Besinnung.

Ein weiteres wichtiges Thema ist der persönliche Kontakt zwischen Menschen. Der Weg, den ich einschlage, entsteht ohne einen zugrundeliegenden künstlerischen oder philosophischen Plan. Auf diese Weise arbeite ich an einem Gesamtbild der Kunstwelt, das organisch wächst und sich in unvorhersehbare Richtungen entwickelt.“
André Smits

Auf seinen Reisen hat André Smits festgestellt, wie schwierig es ist, weltweit adäquate Unterkünfte zu finden. So enstand seine Idee, in jedem Land ein Tiny House für reisende Künstler zu errichten. In DaunTown, Borgholzhausen, Deutschland steht nun das erste! Ein niederländisches Museum hat bereits Kontakt mit dem Künstler aufgenommen, um auf dem Museumsgelände ein weiteres HUBSA zu installieren.

Fotos vom fertigen HUBSA gibt es auf der Seite des Künstlers zu sehen: AITW-HUBSA-AIR